When the border is the river, Eagle Pass (Texas)
Die Erfahrungen, die ich am Grenzfluss zwischen Mexiko und dem US-Bundesstaat Texas gemacht habe, waren mit Sicherheit die prägendsten, die ich während meines Aufenthalts als Auslandsreporterin erlebt habe. Dank meiner Gastgeberin Yami Virgin, Journalistin bei Fox News in San Antonio in Texas, konnte ich mit einer Drehgenehmigung in ihrem TV-Team Live mitwirken und eine US-Grenz-Patrouille zwischen Eagle Pass (Texas, US) und Piedras Negras (Coahuila, México) begleiten. Im Nachhinein erfuhr ich, dass diese „ride alongs“ für die ausländische Presse kaum möglich sind und somit ist es für mich ein großes Privileg, dabei gewesen zu sein.

Auf meiner Rückfahrt fragte mich Yami, was mich am meisten auf dieser Mitfahrt beeindruckt hat. Insbesondere erinnere ich mich an folgendes Erlebnis: Als die Grenz-Patrouille fast zu Ende war, informierte uns der Einsatzleiter, dass eine Person im Fluss gesichtet wurde. Es handelte sich um einen Mann aus Guatemala, der ohne Beine und im Rollstuhl versuchte, den Strom zu überqueren. Die knisternde Spannung an der Grenze, die man dort ständig verspürt, und die Bilder und Erlebnisse wie dieses haben so viele Gedanken und Fragen in mir aufgeworfen, die mich bis jetzt nicht loslassen:

Wieso sehen so viele Menschen keine andere Wahl als ihr eigenes Leben zu riskieren, um die Grenze zu überqueren? Sind diese von Weg und Wetter so zermürbten Menschen an der Grenze die „Kriminellen“, vor denen uns US-Präsident Trump in seinen Tweets warnt? Kann eine Betonmauer die illegale Einwanderung verhindern und beruhen die Fluchtursachen auf einem „Notstand“ oder ist Migration ein Teil der Menschheitsgeschichte?

Migrante capturado en aguas fronterizas

Ich wäre am liebsten sofort zurück nach Washington D.C. und New York gereist, wo wir mit der RIAS-Gruppe zwei Wochen zuvor in schicken Büros von US-Kongress-Abgeordneten, Think-Tanks, Organisationen und Medien empfangen wurden. Ich würde diese Entscheidungsträger fragen, ob sie die Zustände vor Ort selbst gesehen haben.

They don’t pay taxes, Laredo (Texas)
Am zweiten Tag an der Grenze, bekam ich die Nachricht, dass Migranten aus den ICE-Zentren (Immigration and Customs Enforcement), in die sie überführt werden, wenn sie von der Grenz-Patrouille gefangengenommen werden, wegen Überfüllung der Zentren entlassen wurden. Ich bin sofort zur Busstation von Laredo gefahren, um mit den entlassenen Migranten zu sprechen und mir ein Bild von der Lage zu machen.

Besonders überrascht war ich, dass sich nur eine Hilfsorganisation um die Menschen gekümmert und Essen, Bustickets und Unterkunft bereitgestellt hat. Es war ein guter Anlass, um über die Lage für die Deutsche Welle (DW) zu berichten. Der Fernsehsender aus San Antonio war von meiner Story überzeugt und schloss mich bei meinem Interviews dabei zu helfen und eine live Berichterstattung vor Ort zu machen.

Dann nutzte ich die Gelegenheit, mit dem Emergency Management Coordinator von Laredo zu sprechen. Ich fragte ihn, warum keine Hilfe aus der Stadt Laredo bereitgestellt wird, wenn die Behörden doch verlautbaren, dass es sich um einen „Notstand“ handele und die katholische Hilfsorganisation aus Laredo Schlafplätze in der Kirche für die freigelassenen Migranten eingerichtet hat.

Seine Antwort: „We are not opening a shelter here. At the end of the day, our primary responsability as a city is to take care of the city residents. They are the one who pay taxes. This is a federal crisis, not a local one. Republicans and democrats have to put their differences aside in Congress and Senate and come with true immigration reforms so they can put an end to this. This is a result of a broken system.“

Ich musste Blitzartig wieder an meine Besuche in Washington und New York denken. Eine vernünftige Lösung oder auch nur einen Vorschlag habe ich weder bei Republikanern noch Demokraten finden können.

„Let them stay!“, San Antonio (Texas)
Viele Migranten wie der 12-jährige Iván aus Guatemala, mit denen ich gesprochen habe, gehen aus Angst, abgeschoben zu werden, nicht mehr alleine zu offiziellen Terminen mit Behörden. Sie werden durch ehrenamtliche Helfer, Priester und Anwälte der lokalen Hilfsorganisationen vertreten. Wie sie berichten, nehmen aber auch die Demonstrationen gegen die Abschiebepraxis in Texas zu.

Ich konnte von einer dieser Demonstrationen für die DW berichten. Dort traf ich eine Frau aus Honduras. Sie wollte aber nicht gefilmt werden: „Wenn mein Mann aus Honduras sieht, dass ich hier mit meiner Tochter bin, wird er mich töten. Ich kann nicht mal meiner Familien in Honduras anrufen und sagen, dass wir am Leben hier sind.“ Die Flucht vor den „Maras“, den kriminellen Jugendbanden ist auch einen großen Grund aus Mittelamerika in die US einzuwandern.

Niño migrante guatemalteco en Texas

Danke RIAS, konnte ich mit diesen Menschen, von deren Schicksalen ich immer wieder in den Nachrichten gehört habe, treffen. An ihre persönlichen Geschichten werde ich mich noch lange Privat und beruflich erinnern.

The cult of the presidency, Washington D.C.
Ein Name der in jedem Gespräch, wie ein Geist allgegenwärtig ist: Donald Trump. Fünf Wochen bin ich durch die Vereinigten Staaten gereist. Dabei konnte ich überall feststellen, wie gespalten das Land derzeit ist. Die Spaltung reicht, wie das Pew Research Center ermittelt und uns präsentiert hat, bis in die Medien hinein. Er steht in der Mitte derer, die ihn lieben, und derer, die ihn hassen.

Bei dem Besuch von Journalisten an der New York Börse und bei Bloomberg habe ich zu Ohren bekommen: Trump might not be good for America, but he is good for business.

Ausschlaggebend war der Vortrag von Vizepräsident des CATO Institute, Gene Healy. Er erläuterte uns, wie gefährlich der „Kult der Präsidentschaft“ sein kann. Sein Buch „The Cult of the Presidency: America’s Dangerous Devotion to Executive Power” wurde bereits 2008 veröffentlicht. Nach seiner These steht Donald Trump also nur in einer Reihe dieses Kults der Präsidentschaft der letzten 20 Jahren in Amerika, wie auch viele unserer Gesprächspartner erwähnt hatten.

Die Medien haben eine gewisse Verantwortung dafür, indem sie seine Position durch verschiedene Zuschreibungen überhöhen: er ist „a social worker“, „a guardian angel“, “our command in chief”, „the chief magistry“, „the leader of the free world”. Der Präsident ist verantwortlich für alles. Doch, so Healy, stehen all diese „Aufgaben“ nicht in der US-Verfassung.

Die andere Sicht auf die Präsidentschaft erklärte mir Charlie Dent, ein Republikaner, der viel Zeit zusammen mit Donald Trump verbracht hat: „People who hate Trump, take him literally but not seriously, I do take him seriously. He is very impulsive“. Nach dieser unvergesslichen RIAS Erfahrung, werde ich Donald Trump für 2020 doch ernst nehmen.

Ich danke dem RIAS und meiner Gastgeberin, dass sie mir diese unvergesslichen Eindrücke und aufschlussreichen Gespräche mit politischen Entscheidungsträgern und Organisationen ermöglicht haben.